Ohne diese Bilderbücher und Comics wächst in Japan so gut wie kein Junge auf
Shounen, Shonen oder Shōnen Manga sind traditionelle japanische Comics, die sich an junge männliche Heranwachsende in der Altersgruppe zwischen etwa 12 und 18 Jahren richten. Die Wort- bzw. Zeichenkombination steht für Junge/Jugend (Shōnen) und Comic (Manga), womit Comics für Jugendliche bzw. Jungen gemeint ist.
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Vor allem in Japan, doch auch in anderen asiatischen Ländern sowie seit ca. zwei Jahrzehnten auch in Deutschland und Europa zählen Shōnen Manga aktuell zu der beliebtesten und meist verkauften Form von Manga. In Aufmachung, Stil und Inhalt teilweise sowie tendenziell ähnlich, aber für andere Alters- und Zielgruppen gedacht und gemacht sind klassische Manga wie „Shōjo“ für weibliche Jugendliche, „Seinen“ für erwachsene Männer sowie „Josei“ für erwachsene Frauen. Die Käufer bzw. Kunden überlappen sich allerdings auch häufig und sind nicht klar voneinander abgegrenzt. So ist das Untergenre Bishōnen („schöner Junge“) insbesondere bei jungen Mädchen außerordentlich populär, während das geschlechtliche Gegenstück Bishōjo („schönes Mädchen“) bei männlichen Lesern aller Altersklassen viele passionierte Anhänger hat.
Shonen und Manga: Geschichte, Entwicklung
Der hohe Stellenwert von Manga im Generellen sowie Shōnen Manga im Speziellen in der japanischen Kultur ist historisch bedingt: Die lange Geschichte der abwechslungs- und facettenreichen Bildbände reicht bis zu Schriftrollen aus dem 12./13. Jahrhundert zurück. Forscher und Wissenschaftler nehmen an, dass diese die Grundlage für den Lesestil von rechts nach links bildeten.
Stilistisch bereits an heutige Manga erinnernde Bilderbücher mit Grafiken, Illustrationen, Skizzen und Zeichnungen sind schon aus der sog. Edo-Periode zwischen 1603 und 1867 überliefert. Das eigentliche Wort Manga wurde jedoch erst im späten 18. Jahrhundert gebräuchlich. Als Pionier der Verwendung im modernen Sinn gilt der zu Lebzeiten sehr berühmte sowie einflussreiche japanische Karikaturist und Manga-Zeichner Kitazawa Rakuten (1876-1955), der ab 1895 in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften die ersten Comics nach US-amerikanischem Vorbild in Japan veröffentlichte, seine Werke auch in Europa und den Vereinigten Staaten ausstellen konnte und von 1934 bis 1948 eine eigene Schule Comics, Karikaturen und Manga leitete.
Anders als im Westen wurden und werden in Japan Bildgeschichten sehr geschätzt
Viele Autoren, Beobachter und Experten betonen darüber hinaus weitere Kontinuitäten der kulturellen sowie ästhetischen Traditionen Japans als zentral für die lange Geschichte und den anhaltenden Erfolg der Manga. Dazu gehört auch die optische Ähnlichkeit klassischer japanischer Druckgrafiken, Holz- oder Kupferschnitte (Ukiyo-e: fließende Bilder) sowie Gemälde mit expliziten sexuellen Darstellungen (Shunga: Frühlingsbilder) mit zahlreichen gängigen Motiven der modernen Manga.
Ebenfalls als Urahnen und Vorläufer der Manga gelten die japanischen Bilderbücher Kibyōshi aus der weiter oben bereits erwähnten Edo-Epoche, die zumeist in 10- bis 30-seitigen Bänden mit großen, jede Seite überspannenden Bilder und Dialogen in den Leerstellen gedruckt wurden und als erste reine Comicbücher für Erwachsene der japanischen Literatur klassifiziert werden. Als ebenso bedeutsamer historischer Ursprung und bedeutsame Ursache für die in dieser Form sowie Intensität in der westlichen Welt nicht bekannten Popularität von Manga gilt auch die charakteristische Art des Straßentheaters Kamishibai (Papiertheater), bei dem umherziehende Erzähler von Beginn bis Mitte des 20. Jahrhunderts Bilder in einem Leuchtkasten ausstellten, während sie dem gespannt lauschenden Publikum die dazugehörigen Geschichten schilderten und zur Finanzierung der gratis Vorstellungen sowie für ihren Unterhalt Süßigkeiten verkauften.
Shounen: Manga und Gesaku
Dramaturgisch-stilistisch eng verwandt mit den heutzutage dominierenden sowie häufig recht anzüglich bis frivolen Geschichten in vielen Manga sind die einstigen Broschüren mit Holzschnittillustrationen Akahon/Kusazōshi, die im 19. Jahrhundert sowohl „erwachsene“ Themen wie auch Kindergeschichten, Märchen und Volkslegenden behandelten. Sie sind typische Vertreter des gesamten populären japanischen Literaturgenres namens Gesaku aus dem 18. bis frühen 20. Jahrhundert, welches sich mit „Geschrieben zum Vergnügen“ übersetzen lässt und durch scherzhaften Ton sowie detaillierten Aufbau auszeichnet und zielgerichtet auf größtmöglichen kommerziellen Erfolg bei Vernachlässigung von Finesse und Perfektion orientiert war bzw. ist.
Ein Untergenre von Gesaku sowie eine vormoderne japanische Literaturgattung mit einigen Parallelen zu Manga war auch Sharebon, dessen Handlung sich vorrangig um derben Humor und Unterhaltung in den Vergnügungsvierteln sowie die Kleidung, Sprache und Umgangsformen von Männern in Schanklokalen drehte, die von Huren und Kurtisanen wegen ihres nur vermeintlich großen Wissens oft verspottet wurden. Weitere Subgenres von Gesaku mit erotischem, pädagogischem und satirischem Hintergrund sowie Verwandtschaft mit Manga sind Dangibon, Kokkeibon, Ninjōbon sowie Yomihon.
Moderne Manga entstanden erst nach der Niederlage Japans
Trotz dieser reichhaltigen Tradition an historischen literarischen Vorläufern in Japan selbst sowie der charakteristischen piktozentrischen (bildzentrierten) Kunst aufgrund der langen Geschichte und Auseinandersetzung mit chinesischen Grafiken sind Shōnen-Manga doch auch Ergebnis und Folge einer historisch vergleichsweise jüngeren Entwicklung.
Zwar gab es erste Manga-Magazine wie Shōnen Sekai, Shōnen Pakku und Shōjo Sekai, die sich eindeutig erkennbar an bestimmte Altersgruppen sowie Geschlechter richteten sowie auch typische Stilelemente wie weibliche Figuren mit großen, weit aufgerissenen Augen schon ab Anfang des 20. Jahrhunderts. Doch erst die Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg und die Atombombenabwürfe auf Hiroshima sowie Nagasaki haben nach Ansicht mancher japanischer Autoren zu anhaltenden Narben in der kollektiven und künstlerischen Psyche, einem Verlust des vorherigen großen Selbstvertrauens und einer starken Sehnsucht nach Trost durch harmlose und niedliche (kawaii) Bilder geführt.
In Verbindung mit der teilweise erzwungenen Öffnung des Landes für westliche Waren und Werte nach 1945 lassen sich Shōnen Manga also durchaus auch als Folge eines transpazifischen wirtschaftlichen und kulturellen Transnationalismus sehen, die als Hybrid und Vermischung US-amerikanischer Jugendkultur samt Film, Fernsehen, Musik und Zeichentrick mit klassischen japanischen Kunstformen eingestuft werden kann.
Shonen und Shojo: Geschichte, Bedeutung
Bezeichnenderweise begann der beeindruckende und bis heute ungebrochene Boom von Shōnen, Shōjo sowie Seinen Manga auch in der Besatzungszeit von 1945 bis 1951, als in Japan modernere Manga für Jungen und junge Männer mit wissenschaftlich-technischen Themen wie Roboter und Raumfahrt und heroischen Abenteuergeschichten geradezu wie die sprichwörtlichen Pilze aus dem Boden schossen.
Zwischen 1950 und 1969 bildete sich in Japan eine stetig wachsende Leserschaft für Manga sowie deren beiden wichtigsten Genres, Shōnen Manga für Jungen und Shōjo Manga für Mädchen, heraus. Schon 1947 erschien das erste neue japanische Magazin Manga Shōnen, das bald darauf frühe Werke von berühmten Epigonen wie Osamu Tezuka, Shōtarō Ishinomori sowie Leiji Matsumoto veröffentlichte. Nach dem Ende der Zensur im Jahr 1952 und dem Wirtschaftsaufschwung in Japan nahmen auch Anzahl sowie Absatz neuer Manga-Magazine deutlich zu und die Gattung Shōjo Manga für Mädchen etablierte sich.
Im Shōnen Manga durfte damals auch wieder der bis dahin verbotene Sport thematisiert werden. Von 1956 bis 1966 erschien der auch als Real- sowie Animationsfilm adaptierte Klassiker Tetsujin 28-gō (Eisenmensch Nr. 28). 1959 erschienen erstmals die beiden noch immer kommerziell erfolgreichen Wochen-Magazine Shōnen Magazine und Shōnen Sunday.
Seinen Manga: Bedeutung, Definition, Erklärung
In den 1970er-Jahren entstand mit Seinen Manga schließlich das spezielle Subgenre für eine ältere männliche Zielgruppe. Deren Geschichten waren anders als diejenigen für das jüngere Publikum sichtbar stärker vom Stil des Gekiga (dramatische Bilder) sowie Themen wie Gesellschaftskritik, Gewalt, Horror, Mord, Kannibalismus, Fäkalhumor, Verbrechen und Zombies geprägt. Etwa zur selben Zeit wurden eindeutig pornografische Manga mit dem Gattungsbegriff Hentai (Perversion) sowie die abgeschwächte bzw. gemäßigte Version Etchi (Erotik) unter Erwachsenen immer populärer. Ausländer zeigen sich angesichts der teils recht offenherzigen sowie realistischen Darstellung von sexuellen Aktivitäten aller Art in diesen Manga nicht selten relativ überrascht.
Insbesondere im Hentai werden mitunter ausgefallene Fetische wie Bara oder Yaoi (extrem feminine oder maskuline Männer für weibliches und/oder männliches Publikum), Bakunyū (besonders große Brüste), Futanari (Hermaphroditen), Lolicon (vorpubertäre Mädchen) und Shotacon (vorpubertäre Jungen) sowie Omorashi (Urin) und Ahegao (Gesichtsausdruck während des Sex) dargestellt.
Shonen: Weitere Kategorien und Manga-Arten
Seit den 1980er-Jahren lässt sich eine sowohl inhaltliche als auch stilistische Annäherung der Kategorien Shōnen, Shōjo und Seinen sowie das Aufkommen von Sonderformen wie Gourmet-Manga (gurume manga) oder Koch-Manga (ryōri manga), Harem- (Hāremu) und Sport-Manga sowie Manga zum in Japan verbotenen Glücksspiel Mah-Jongg (mājan) und die mit dem Slangwort Moe (Knospung) beschriebene Zuneigung zu Manga-Charakteren beobachten. Im selben Jahrzehnt eroberten auch immer mehr zeichnende Frauen das bis dato nahezu exklusiv männlich beherrschte Genre und gaben innovativen Shōnen Manga eine stärker emotionale und romantische Richtung.
Nicht zuletzt durch diese Entwicklung wurden Shōnen Manga zum Ende der Epoche auch in Europa und den USA bekannt und beliebt. Maßgeblich am internationalen Erfolg des „Manga-Export“ beteiligt waren jedoch auch die englischen Übersetzungen von Sex-Manga, die mit der Lockerung der Zensur in den 1990er-Jahren in Japan möglich wurden. Im Jahr 2010 beschloss die Stadtregierung von Tokio jedoch das umstrittene Gesetz 156, um derartige Inhalte einzuschränken, trotz des Widerstands vieler Autoren und Verleger in der Manga-Industrie.
Manga: Auflagen-Rekorde und Verbreitung
Die 1968 ins Leben gerufene Zeitschrift Weekly Shōnen Jump ist mit einer Auflage von aktuell über 1,6 Millionen heute das meistverkaufte Manga-Magazin des Landes, in der viele der berühmten Figuren und Helden aus den Federn der Mangaka (Manga-Zeichner) wie Black Clover, Bleach, Captain Tsubasa, Demon Slayer, Dragon Ball, Shaman King und Slam Dunk erstmals erschienen.
Internationale Ableger des Magazins, welches Mitte der 1990er-Jahre in Japan eine Rekordauflage von mehr als 6,5 Millionen Exemplaren pro Woche verkaufen konnte, gab es in den 2000er-Jahren vorübergehend in Deutschland (Banzai!), Hongkong (EX-am), Taiwan (Báodǎo Shàonián), Thailand (Boom; C-Kids) sowie in Norwegen, Schweden und den USA (Shonen Jump). Seit 1969 existiert Shūkan Shōnen Champion bzw. Weekly Shōnen Champion mit einer aktuellen Auflage von etwa 500.000 Exemplaren. Zu den zurzeit 10 größten Manga-Magazinen Japans mit den Schwerpunkten Shōnen, Seinen und Shōjo sowie einer jeweiligen Auflage zwischen 230.000 und 630.000 Exemplaren pro Woche zählen aktuell neben dem Spitzenreiter Weekly Shōnen Jump das Weekly Shōnen Magazine, CoroCoro Comic, Big Comic Original, Weekly Young Jump, Weekly Young Magazine, Ciao sowie Big Comic und Weekly Shōnen Sunday.
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Autor: Pierre von BedeutungOnline
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