Canyon X: Der USA-Geheimtipp — Lichter der Welt (2024)

Canyon X

Es gibt sie noch: Echte Geheimtipps.
Orte dieser Erde, die so schön, so besonders sind, dass wir es kaum begreifen können.
Orte, die magisch sind. Und die du mit niemandem teilen musst.Der Canyon X ist einer dieser Orte!

Canyon X: Der USA-Geheimtipp — Lichter der Welt (1)

Slot Canyons in Arizona

Als ich im Jahr 2013 in die USA gereist, war ein Highlight der Besuch des Antelope Canyon.

Lediglich ein handgeschriebenes Schild am Straßenrand machte auf diesen atemberaubenden Ort aufmerksam. Man konnte sein Auto abstellen, etwas warten und wurde dann von einem Navajo-Indianer in einem offenen Jeep in die Wüste gefahren. Wir hielten vor einem Felsen, in den ein dunkler Gang führte.

Antelope Canyon und das teuerste Foto der Welt

Ein Ort voller Schönheit, Mystik und unbegreiflicher Magie. Ein Ort, durch den wir wie in Trance liefen, sprachlos an den Feldwänden hochsahen und überwältigt waren von der Mächtigkeit und Vollendung der Natur.

Nur ein Jahr nach meinem Besuch im Antelope Canyon wurde das bis heute teuerste Foto der Welt verkauft: Phantom brachte dem Fotografen Peter Lik 6,5 Millionen US-Dollar ein. Aufgenommen wurde es hier: Im Antelope Canyon.

Vielleicht war es die Begeisterung für Phantom, vielleicht die Nähe zum Grand Canyon und anderen beliebten Nationalparks der USA, vielleicht gutes Marketing: Antelope Canyon wurde zu einem Hype.

Heute quetscht man sich durch diesen Ort der Stille und Ästhetik zusammen mit tausend schrillen Touristen.

Canyon X: Der USA-Geheimtipp — Lichter der Welt (5)

Nur vier Jahre nach meinem ersten Besuch in der damals verlassenen Gegend zieren nun schon hunderte Meilen entfernt Bilder des Antelope Canyon die Werbetafeln. Die kleine Stadt Page in der Nähe des Canyons boomt; jedes Motel ist auf den Touristenrummel ausgelegt, jedes noch so kleine Geschäft verkauft Touren zum Canyon. Riesige Parkplätze säumen die eben noch so einsamen Straßen, es gibt Touristenstände, Dixie-Klos, nicht einen Fleck, wo man nicht auf Horden von Touristen trifft. Hier, mitten in der Wüste.

Gerade bei asiatischen Touristen ist der Antelope Canyon beliebt. Jeder will ein Seflie vor den mächtigen Steinwänden oder gar vor einem der berühmten Light Beams. ‚I was here’ und Initialen werden in den Stein gekratzt. Es ist laut, es ist voll, es ist ungemütlich.

Und der Canyon? Den mystischen stillen Ort der Natur, den ich hier vor vier Jahren kennengelernt habe, gibt es so nicht mehr.

Aber es gibt eine Alternative!

Der Canyon X

Es gibt eine Straße.
Sie heißt Highway 98 und führt von Page in Arizona nach… ja, wohin eigentlich? Irgendwo in die Tiefen des Navajo Indianerreservats, in dem wir uns hier befinden, ohne es zu merken. Außer daran, dass es keinen Handyempfang gibt, vielleicht. Die Natives haben ihr eigenes Netz.

Es gibt keinen Grund, den eintönigen Highway 98 entlang zu fahren und genau das ist das große Glück des Canyon X. Man muss es schon wissen. Wenn man von Page aus die Parkplätze des Antelope Canyons hinter sich lässt und ein bisschen fährt, gelangt man irgendwann zu einem weiteren Parkplatz. Hier stehen kaum Autos. Und es gibt nur ein handgeschriebenes Schild. Canyon X. Hier an Mile Point (MP) 308, eine Adresse gibt es nicht, solltest du anhalten.

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Canyon X: Der USA-Geheimtipp — Lichter der Welt (6)

Der Parkplatz erinnert mich an den Parkplatz des Antelope Canyons vor vier Jahren. Den, den es längst nicht mehr gibt. Eine Navajo-Indianerin sitzt unter einem kleinen weißen Pavillon und liest auf ihrem Handy. Es gibt keinen Indianer-Touristenschmuck. Keine Schlange drängelnder Besucher.

„Wir wollen zum Canyon X“, sagen wir und fragen, ob wir noch heute eine Tour kriegen können. Sie machen uns eine, sagt sie, zieht – so gar nicht verklärt-nostalgisch, wie wir es uns gerne vorstellen würden – unsere Kreditkarte durch ihr Smartphone und lächelt uns an. Es müsste jemand unten bei den Canyons sein.

Canyon X: Der USA-Geheimtipp — Lichter der Welt (7)

Unsere einsame Erkundung des Canyon X

Nur zwei Minuten später braust ein Pick-Up-Truck aus der Wüste auf den Parkplatz. „Ich bringe euch runter“, sagt die Navajo-Frau auf dem Fahrersitz, während der Mann auf dem Beifahrersitzt sich als unser Guide vorstellt. Wir sind uns nicht sicher, ob wir sie richtig verstehen. Nur wir beide? Warten die anderen Touristen schon unten?

In einer riesigen Staubwolke düsen wir etwa zehn Minuten durch die Wüste und gelangen zu einem Eingang in eine Felswand, vor der ein weiterer Native sitzt. Nirgendwo sind Touristen zu sehen. „Sind wir ganz alleine?“, frage ich und habe fast Angst vor der Antwort „Ja“, sagt Bryan, unser Guide. „Ihr habt Glück.“

Die andere Welt des Canyon X

Wir bekommen zwei Flaschen Wasser und gehen durch den Spalt in den Canyon hinein. Es ist, als ob wir eine andere Welt betreten.

Bryan ist Hobbyfotograf und extrem interessiert an unseren Kameras. Er macht ein paar Fotos von uns (hätten wir geahnt, wie talentiert er ist, hätten wir besser gepost!) und bietet uns dann an, den Canyon X alleine zu erkunden. „Schreibt aber nichts an die Wände“, mahnt er, bevor er drei Mal hervorhebt, dass wir uns so viel Zeit lassen sollen, wie auch immer wir wollen.

Jan und ich sind sprachlos. Der Canyon X ist wie der Antelope Canyon, aber: Wir sind alleine. Völlig alleine. Außer uns ist niemand in dem gesamten Gebiet.

Wir wagen kaum zu atmen oder uns zu bewegen, so still ist es.

Das Licht scheint in den Canyon, lässt die steilen Wände in den herrlichsten Farben leuchten. Innerhalb von Minuten ändert es sich, taucht die Szenerie in völlig andere Farbtöne, zeigt andere Formen und Strukturen.

Wir gehen, fotografieren, staunen. Sind unheimlich dankbar, dass wir diesen Blog haben, denn ohne die langen und tiefgehenden Recherchen für einen anderen Artikel hätten wir nie zufällig vom Canyon X erfahren.

Die Welt ist in Ordnung, hier im Canyon X. Ruhig, harmonisch und wunderschön. So wie sie sein sollte. Sind wir Störenfriede? Wir bemühen uns, keine zu sein. „Man sollte niemanden hier rein lassen“, denke ich. Und gleichzeitig auch, dass ich allen davon erzählen möchte. Schon jetzt bin ich hin und her gerissen. Wie ist es in zwei Jahren? Ist dieser Ort bald der neue Antelope Canyon?

Farben, Schatten, Licht. Wir können nicht sagen, wie lange wir durch den Canyon X gehen. Der Raum scheint hier die Zeit zu verschlingen.

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Irgendwann wird es heller, wir kommen an das Ende. Ein Baum steht hier, in der Stille, ein Vogel sitzt darauf. Eine andere Welt. Und doch unsere.

Wir gehen zurück und merken, dass es nur ein paar Schritte waren, die wir gegangen waren, um in diese andere Welt zu kommen. „Nehmt euch Zeit“, erinnern wir, und nehmen sie uns. Nur noch eine Minute. Nur noch eine Minute länger hier.

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Wir kommen aus dem Canyon und Bryan fragt uns, warum wir uns nicht mehr Zeit genommen haben. Haben wir nicht? Waren wir nicht stundenlang weg? Es ist so schwer mit der Zeit an Orten wie diesen.

Der echte Canyon X

Er zeigt uns noch einen anderen Canyon. Der echte Canyon X, sagt Bryan, und wir folgen ihm etwa zehn Minuten durch die Wüste. Er erzählt, dass seiner Familie das Land gehört und sie hoffen, dass sie mit den Touren Geld verdienen können. Es ist schwierig mit den Natives und der Armut und den Perspektiven. So wie beim Antelope Canyon soll es aber niemals werden. Ich beschließe, der Welt doch von diesem Ort zu erzählen.

Der zweite Canyon ist anders, aber doch genau so. Wir sollen hochschauen, sagt Bryan, und erst verstehen wir es nicht, aber dann sehen wir es, das riesige X, das sich über unseren Köpfen erstreckt und diesem Ort seinen Namen gibt.

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„Mach da ein Foto“ sagt Bryan. „Da habe ich mal eins gemacht und es ist perfekt.“ Stolz zeigt er mir ein Foto auf seinem Smartphone. Ich mache eins, von dem er später aufgeregt seinen Kollegen erzählen wird und hoffe, dass Bryan mal die Chance hat, Fototouren zu führen.

Unser Guide geht vor und fragt immer wieder, ob er Fotos von uns machen soll. In dem Licht, mit dem Felsen. Ein Hochkant-Panorama hier und ein Doppel-Panorama dort. Was ein Doppel-Panorama ist, verstehen wir erst, als wir später auf meinem Handy sehen, dass wir völlig falsch gepost haben. Man ist fortschrittlicher als wir dachten, hier in der Wüste. Der Navajo wird seinen Freuden erzählen, dass man in Deutschland hinter dem Mond lebt.

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„Habt ihr Höhenangst?“, fragt Bryan, als wir aus dem zweiten Canyon rauskommen und der Pick-Up noch nicht wieder da ist. Wir verstehen die Frage nicht und Bryan führt uns kurzerhand zu einem dritten Canyon, „um die Zeit zu überbrücken“. Hier muss man nun wirklich klettern und kraxeln, auf dem Hintern rutschen, die Kamera voran werfen und hoffen, dass auch Sanitäter mit einer Trage irgendwie hier durch kämen.

„Seid vorsichtig da vorne, aber macht ein Foto!“, sagt Bryan und klettert schonmal wieder zurück. Wir sind jetzt über dem zweiten Canyon und können durch ein Loch im Boden in diesen hinein schauen. Es ist das X, das wir eben noch von unten fotografiert hatten. Hinter dem Loch geht es weiter, aber dahin kommen wohl nur die Natives. Es scheint wie der Zugang ins Ungewisse, eine Welt in einer Welt, die unsere ist und doch nicht.

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Wir wissen nicht, wie riesig dieses Labyrinth aus Slot Canyons ist, in dem wir uns befinden. Für mich war die Schönheit des Antelope Canyons unbegreiflich, aber erst jetzt habe ich einen tatsächlichen Einblick in diese Welt bekommen. Der Antelope Canyon ist nur ein kleiner Teil davon, das durch Peter Liks Foto berühmt gewordene Fenster nach draußen, nach Europa, nach Asien. Hier drinnen ist so viel mehr.

Wir kraxeln und rutschen zurück und jetzt wartet auch der Pick-Up auf uns. Er bringt uns zurück zum Parkplatz, zur Straße, die aus der Wüste hinaus führt, hinein in die Werbeplakate-Welt.

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Deine Tour zum Canyon X

Wenn du in Arizona oder Utah bist, schau dir den Canyon X an. Zumindest in den nächsten ein, zwei Jahren noch. Vielleicht hast du so viel Glück wie wir und bist ganz alleine in der stillen Natur der Navajos, die wirkt wie ein anderer Planet. Vielleicht bist du auch in einer kleinen Gruppe. Auf jeden Fall solltest du deine Kamera mitnehmen – und ein Stativ, wenn sie weniger low-light-geeignet ist, und dir diese Fotos nicht entgehen lassen.

Solltest du auf Bryan treffen, informiere dich besser vorher, was ein „double-pano“ ist und pose aufwendiger – es lohnt sich!

Von uns wollten die Navajos 38$ für den Eintritt zum Canyon X, was viel klingt, aber gegen die neuen Preise des Antelope Canyons wirklich wenig ist.

Es erwartet dich ein Erlebnis, das du nicht vergessen wirst, garantiert nicht. Und das dir die Welt zeigt, wie du sie noch nie zuvor gesehen hast.

Canyon X: Der USA-Geheimtipp — Lichter der Welt (20)

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